Anders sein
Lieb doch, wen du willst
Bearbeitet von Grenzgenial
Mit nackter Haut, viel Musik und guter Laune haben Zehntausende beim Christopher Street Day für Toleranz und Offenheit demonstriert.
Mann, Frau – oder vielleicht doch etwas dazwischen? Beim Christopher Street Day in Hamburg muss sich niemand für ein Geschlecht entscheiden. „Du bist, wie du dich fühlst“, ruft eine junge Frau. Im Hintergrund dröhnen die Bässe. Rund 80 000 Teilnehmer zählt die Polizei. Tanzend und in verrückten Kostümen oder auch halb nackt demonstrieren sie für die Rechte von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgenders.
Ein amerikanischer Schulbus fährt langsam durch die Menge, gefolgt von mehreren Männern in Stöckelschuhen (Highheals). Sie tragen Plakate auf denen „Girls like Girls“ oder „Lieb doch, wen du willst“ steht. Fast 100 000 Zuschauer bestaunen das Spektakel vom Straßenrand aus und feiern mit. Bei 30 Grad wird es den Teilnehmern zur Mittagszeit so warm, dass die Feuerwehr mit Wasserkanonen für Abkühlung sorgen muss.
Die friedliche Atmosphäre ist aber nicht für alle Teilnehmer eine Selbstverständlichkeit. „Ich kann mich gut an die Demos Ende der 80er erinnern, bei denen Hunderte Polizisten mit Schlagstöcken und Schutzschilden mitgelaufen sind“, erzählt Ilkka Vollmers (51). Seit Anfang des Jahres ist er offiziell mit seinem Lebenspartner Horst verheiratet. „Das ist für uns nicht nur eine Party. Die politischen Aussagen, das ist das Wesentliche“, sagt er.
„Natürlich entsteht schnell der Eindruck, der CSD sei nur eine bunte, verrückte Parade. Es soll auch Spaß machen, doch eigentlich stehen starke politische Botschaften im Vordergrund“, sagt Matthias Laiß, Pressesprecher des Veranstalters Hamburg Pride.
Deshalb wurde die Parade in diesem Jahr bewusst als Demonstration angekündigt. Unter dem Motto „Freie Bahn für Genderwahn!“ sollte in diesem Jahr vor allem gegen Geschlechterkategorien demonstriert werden.
Die Demonstranten fordern die Einführung des dritten Geschlechts, eine Reform des Transsexuellengesetzes, aber auch einen gendersensibleren Umgang in der Sprache.
„Es gibt viele Dinge, die wir feiern können - die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, zum Beispiel. Gleichzeitig erleben wir aber auch einen starken Gegenwind durch Gruppen, die unsere Rechte immer wieder zu untergraben versuchen“, so Laiß. Schärfster politischer Gegner sei die AfD, die eine Verfassungsklage gegen die Ehe für alle angekündigt.
In Hamburg wehten überall die Regenbogenfahnen im Sommerwind. Auch am Rathaus wurde die Fahne gehisst – und selbst die US-amerikanische Botschaft schmückt sich mit dem Toleranz-Symbol. „Irrsinnig ironisch“, sagt eine Teilnehmerin, bevor sie weiter „Make America Gay Again“-Flyer an die Menge austeilt.